1070 Forschen mit Fred

© Finken-Verlag · www.finken.de 11 Was hat Fred mit Chemie und Physik zu tun? Themen der unbelebten Natur im Elementarbereich einzuführen, stellt für viele von uns eine Herausforderung dar: Experimentier-Materialien vorbereiten, die Deutung selbst verstehen, um für etliche Kinderfragen gewappnet zu sein, Experimentier-Gruppen zusammenstellen usw. Und dazu noch Geschichten von Fred erzählen? Warum überhaupt eine Ameise, die doch ins Reich der belebten Natur gehört, bei Themen der unbelebten Natur einführen? Die Antwort ist einfach: Weil Kinder Geschichten mögen und weil eine kleine Ameise eine Brücke zwischen belebter und unbelebter Natur herstellen kann. Aber gucken wir uns das Phänomen des Storytellings bzw. der narrativen Didaktik einmal genauer an: In unserer eigenen Schulzeit haben wir die Fächer Chemie und Physik oftmals als zu theorielastig erlebt; es fehlte der Lebens- und Alltagsbezug, sodass wir allenfalls – wenn überhaupt – einen kognitiven Zugang zu den chemischen und physikalischen Inhalten gewonnen haben, der meistens im Laufe der Zeit wieder verloren ging. Das Begreifen mit „Herz und Verstand“, d. h. mit affektivem und kognitivem Bezug ist dagegen deutlich länger anhaltend und hinterlässt darüber hinaus auch einen tieferen und positiveren Eindruck in uns. Wie aber lässt sich das Affektive wecken, wenn es um Themenfelder der unbelebten Natur geht? Der angelsächsische Sprachraum hat darauf schon seit Längerem eine Antwort: durch Storytelling – wobei mit diesem Anglizismus mehr gemeint ist, als durch die schlichte Übersetzung „Geschichten erzählen“ zum Ausdruck kommt. Es geht nicht nur um eine gefällige Verpackung des Naturthemas, sondern es soll zugleich auch eine Einstellung, ein Engagiert-Sein bei den kindlichen Zuhörer*innen geweckt werden. Der Wunsch, Geschichten zuhören zu können, ist bei Kindern früh verankert: Die GuteNacht-Geschichte vor dem Einschlafen, das versonnene, intensive Zuhören, wenn ihnen jemand ein Märchen erzählt. Beim Geschichten-Zuhören sind Kinder „ganz Ohr“. Dabei geht es nicht allein um den Inhalt des Vorgetragenen, sondern auch um die besondere Form der Zuwendung beim Erzählen: der Blickkontakt zwischen Erzähler*in und Kind, die Stimmmodulation des oder der Sprechenden, die intensivere Gestik. Beim Erzählen der Geschichte bilden Zuhörer*in und Erzählende*r eine Einheit, die durch nichts unterbrochen wird – sonst endet die Geschichte. Hinzu kommt die Welt der Imagination, die sich vor dem geistigen Auge des Kindes – entsprechend seiner Erfahrungswelt – entfalten kann, während es sich der Gegenwart des oder der vertrauten Erzählers/Erzählerin gewiss sein kann. Auch wir Erwachsenen lassen uns gerne darauf ein, wenn uns jemand eine Geschichte erzählt, und folgen einem frei gesprochenen Vortrag deutlich leichter als einer abgelesenen Rede. Es überrascht daher nicht, dass die Erzähler der Epen Homers nur dann gefragte „Stars“ der Antike wurden, wenn es ihnen gelang, die langen Gedichte völlig frei auswendig zu sagen; wer ablesen musste, hatte verloren. Im Elementarbereich bietet sich sicherlich nicht jede beliebige Geschichte an, um das narrative, d. h. erzählende Element zur Geltung zu bringen. Die Geschichte soll neben einem thematischen Bezug zum Naturphänomen auch den Bezug zum Alltag der Kinder berücksichtigen und – wenn möglich – auch noch das geplante naturwissenschaftliche Experiment integrieren.

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