1070 Forschen mit Fred

© Finken-Verlag · www.finken.de 5 Warum Kindergartenkinder schon früh einen Zugang zu naturwissenschaftlicher Bildung erhalten sollen Viele von Ihnen werden vielleicht überrascht sein, dass naturwissenschaftliche Bildung schon im frühen Kindesalter möglich ist. Vor allem diejenigen mag das erstaunen, die einen eher schwierigen Zugang zu den Fächern Chemie und Physik erfahren haben. Möglicherweise drängt sich Ihnen daher auch die Frage auf, weshalb überhaupt naturwissenschaftliche Bildung im Elementarbereich erforderlich ist – sind doch bislang Generationen von Kindergartenkindern ohne einen Kontakt zu Themenfeldern der Chemie und Physik ausgekommen. Zählen Naturwissenschaften zum Bildungskanon? Um uns der Frage der frühkindlichen naturwissenschaftlichen Bildung zu nähern, wenden wir uns zunächst dem Bildungsbegriff überhaupt zu. Dieser konzentriert sich bislang überwiegend auf geisteswissenschaftliche Themenfelder. Allgemein gilt es nämlich als unbestritten, dass geisteswissenschaftliche Kenntnisse – sei es über Philosophie, Literatur oder Geschichte – zur Bildung gehören. Einen Menschen, der bei diesen Themen „mitreden“ kann, würden wir ohne zu zögern als gebildet bezeichnen, auch wenn er von Chemie und Physik keine Ahnung hat. Wenn jedoch jemand den Aufbau eines Atoms kennt, mit der Nachweisreaktion von Zucker oder Eiweiß vertraut ist oder erklären kann, warum es nachts dunkel ist, so würden wir diesen Menschen nicht unbedingt als gebildet wahrnehmen. Bei naturwissenschaftlicher Kompetenz wird eher von Wissen gesprochen. Dass geisteswissenschaftliche Bildung hierzulande unumstritten gesellschaftlich akzeptiert wird, während naturwissenschaftliche Bildung dahinter eher zurückfällt, überrascht: In Deutschland wurden seit dem Beginn der modernen Naturwissenschaften vor rund 250 Jahren eine Vielzahl von naturwissenschaftlichen Entdeckungen hervorgebracht. Deutschland ist eben nicht nur ein „Volk der Dichter und Denker“, sondern ganz besonders auch ein Volk der Forscher*innen und Tüftler*innen, die den Weg für volkswirtschaftlichen Wohlstand und zivilisatorischen Komfort geebnet haben. Aber warum haben es die Naturwissenschaften in ihrer Anerkennung als Bildungsgüter so schwer? Sicherlich hat dies auch mit der Selbstdarstellung dieser Disziplinen zu tun, bei der aufgrund der Vermittlung von Einzelfakten nur selten die breite Öffentlichkeit erreicht wird – und diese allenfalls bei Bekanntgaben der Nobelpreisträger an der „Heldenverehrung“ teilhaben kann. Tatsächlich können aber gerade die Naturwissenschaften neben diesem Einzelfaktenwissen viele Erkenntnisse im Hinblick auf Vernetzung hervorbringen, die uns eine tiefere und differenzierte Einsicht in die Prozesse unserer Umwelt vermitteln. Sie helfen uns, selbstverantwortlich und eigeninitiativ an der Gestaltung unserer zukünftigen Lebensbedingungen teilzuhaben, und lassen uns erfahren, wie wir unsere Umwelt nutzen können und wann wir sie schützen müssen. Aber hat das deshalb schon mit Bildung zu tun? Der Bildungsbegriff ist, seit Wilhelm von Humboldt ihn vor etwa 200 Jahren prägte, mit sehr vielen widersprüchlichen Inhalten belegt worden. Hier sei deshalb nur ein Aspekt in Bezug auf unser Thema herausgehoben: Naturwissenschaftliche Grundkenntnisse stellen

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