Mein REF! Impulse und Inspirationen fürs Referendariat

An Pascal Grüns erstem Elternabend als verant- wortlicher Lehrer werden schwitzige Hand- schläge verteilt, Daumenschrauben gefordert und Klischees bestätigt Eine Elterntypologie Das war‘s, mein erster Elternabend als verant- wortlicher Lehrer ist vorbei Die wichtigste Nachricht zu Beginn: Nach dem eng getakteten Gesprächsmarathon ist mein Kopf noch dran Die Eltern sind gar nicht so schrecklich, wie meine Referendarkollegen und auch ich das immer befürchtet haben Nun sitze ich im Leh- rerzimmer und denke über die grundverschie- denen Typen von Eltern nach Die Übermutter 16:50, zehn Minuten vor dem eigentlichen Beginn klopft es an meiner Tür Ich bin über- rascht, dass die erste Schülermutter schon bereit steht Sie habe einen straffen Zeitplan und es käme ihr sehr gelegen, wenn wir etwas früher als geplant beginnen könnten, meint sie Um ein bisschen zu plaudern, frage ich, ob sie leicht her gefunden hat „Selbstverständlich Ich kenne die Räumlichkeiten ja bereits von den vergangenen Jahren “ Mir dünkt: Ich habe es mit einer Expertin zu tun Über alles weiß sie genauestens Bescheid: die Noten, das Unterrichtsgeschehen, den Lehrer- wechsel, die Hefteinträge.. Ich komme kaum zu Wort Gelegentlich nicke ich zustimmend oder bringe ein „Hmm, ja“ vor Das Paradoxe: Eigentlich gibt es nicht viel zu besprechen Ihr Sohn ist ein guter Schüler, der brav seine Haus- aufgaben erledigt und im Unterricht ordentlich mitarbeitet Der Monolog, äh, das Gespräch dauert trotzdem insgesamt 15 statt der vorge- sehen fünf Minuten, weshalb ich nun auch ver- stehe, was die Dame mit ihrem straffen Zeit- plan meinte „Helikoptereltern“ heißt der Fachbegriff, der seit Jahren durch die Medien geistert Es sind Eltern, die ihren Kindern kaum Luft zum Atmen lassen – zur Selbstständigkeit ihrer Zöglinge trägt die übergroße Fürsorge nicht bei Eine Kollegin sieht in diesem Phänomen gar einen Wettkampf, der zwischen Gluckenmüttern bereits im Kindergar- ten entsteht Wer backt die ausgefal- lensten Bio-Muffins, wer hat das am besten ausgebildete Aupair- mädchen aus Fernost? Als Junglehrer würde ich sagen: Eltern, die Interesse am schuli- schen Geschehen zei- gen, sind toll Noch toller aber sind Eltern, die ihrem Nachwuchs die Chance geben, sich ohne Druck zu entwickeln Der Lockere Nach dieser ersten intensiven Begegnung bin ich umso erleichterter ob der Entspanntheit des folgenden Gesprächs Der Vater der nächs- ten Schülerin ist leger gekleidet und tritt auch so auf Er wolle einfach mal hören, wie sich seine Tochter somache Meine Beobachtungen zum Lernverhalten und Leistungsstand seines Kindes vernimmt der Herr interessiert und wir führen ein sehr angenehmes Gespräch Ich höre heraus, dass die Eltern das Kind ein Stück weit unterstützen, vor allem aber zur Selbst- ständigkeit erziehen möchten Gute Einstel- lung, denke ich, behalte meine Meinung aber für mich Denn die Tochter des Mannes ist eine hervor- ragende Schülerin, deren soziale Kompetenz gut ausgeprägt ist Dass elterliches Laissez-faire bei schwächeren und eventuell zudem undiszi- plinierten Schülern funktioniert, würde ich zumindest bezweifeln Der Schüchterne Ein kaum vernehmbares Klopfen kündigt den nächsten Elternabendbesucher an Vor der Tür steht ein sichtlich unsicherer Schülervater Beim Handschlag merke ich, dass seine Nervo- sität die Transpiration der Handinnenflächen Strenge, Schüchterne und Übermütter von Pascal Grün 48 ©Finken-Verlag · www.finken.de

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