Mein REF! Impulse und Inspirationen fürs Referendariat

angeregt hat Durch lockeres und freundliches Auftreten versuche ich, dem Mann ein wenig von seinem offensichtlichen Unbehagen zu nehmen Seine leicht schnappende Atmung zeugt aber weiterhin davon, dass ihm die Situa- tion unangenehm ist Er spricht sehr leise und ich muss mich enorm konzentrieren, um ihn zu verstehen Sein Sohn habe zwar keinerlei Probleme in Sachen Noten, flüstert er, aber er würde von mir gern wissen, wie er sich denn in der Klas- sengemeinschaft mache Ich zögere einen Moment, ehe ich antworte „Mark ist soweit gut integriert Allerdings sollte er an seinem Selbst- bewusstsein arbeiten Er meldet sich selten zu Wort, obwohl er die Antwort immer weiß, wenn ich ihn aufrufe Und auch bei Präsentationen fühlt er sich merklich unwohl “ Jetzt, wo ich Marks Vater kenne, wundert mich das aller- dings nicht mehr Der Strenge Im Anschluss das totale Kontrastprogramm: Jemand hämmert energisch an die Tür, die auf- gerissen wird, ehe ich mich von meinem Stuhl erhoben habe „Was hat mein Junge denn jetzt schon wieder ausgefressen?“ Mir sitzt der rabi- ate Vater eines aufgeweckten, humorvollen, aber recht leistungsschwachen Schülers aus meiner 7 Klasse gegenüber Ich berichte davon, dass ich Alex mit der Steg- reifaufgabe wohl ziemlich überrascht habe, obwohl sie durch die Blume angekündigt war „Ah, der Depp Bei dem müssen Sie ruhig die Daumenschrauben andrehen Und ich werde dem zu Hause einen ordentlichen Einlauf ver- passen, dann sollte es die nächsten Wochen wieder laufen “ Die Strenge in seinem Ton schafft ein unangenehmes Klima und ich rudere mit versöhnlichen Aussagen über den Schüler ein wenig zurück, weil ich das Gefühl habe, ihn in Schutz nehmen zu müssen Angst- freies Lernen sieht anders aus und die eine oder andere schlechte Leistung des Schülers erklärt sich mir jetzt Die Engagierten Gen Ende des Elternabends empfange ich die Eltern eines türkischstämmigen Kindes Beide sind elegant gekleidet und begrüßen mich höf- lich in nahezu akzentfreiem Deutsch Sie treten fast demütig auf und ich habe das Gefühl, als Lehrer ihren größten Respekt zu genießen Auch mal ein schönes Gefühl Ihr Sohn, ein netter, dynamischer Junge, hat einige Probleme in Französisch und der Vater notiert akribisch mit, wo meiner Meinung nach Lücken zu schließen sind Die Mutter erklärt mir, dass sie selbst ihrem Sohn nicht helfen könnten, da sie kein Französisch sprächen, aber eine Nachhilfelehrerin engagiert hätten, um das Klassenziel zu erreichen Ich merke, wie wichtig den Eltern der Schulerfolg ihres Kindes ist und dass sie keine Mühen scheuen, ihm durch gute Bildung einen sorgenfreien Lebens- weg zu ermöglichen Ich denke an meine zwei großartigen türkisch- stämmigen Referendarkollegen von der Semi- narschule und hoffe auf viele weitere Schüler und Kollegen, die Beispiele gelungener Inte­ gration liefern Kurzbio Marco Zoricic: s. Seite 21 49 ©Finken-Verlag · www finken de

RkJQdWJsaXNoZXIy ODYxNDcw