1095 Baldur der Zahlendrache

• Möglichkeit 2: Eine Eins-zu-eins-Zuordnung. Das erste Kind bekommt ein Gummi- bärchen, dann bekommt das zweite eins, dann das dritte und nun bekommt das erste Kind ein zweites Gummibärchen. Am Ende hat jedes Kind zwei und ein Gummibärchen bekommt die frühpädagogische Fachkraft. Was haben die Kinder dabei gelernt? Ganz, ganz viel. Zum Beispiel, dass sich eine Menge in Teilmengen zerlegen lässt, oder dass die Eins-zu-eins-Zuordnung eine passende mathematische Strategie ist. Und, wenn Sie aus der Brille der Schulmathematik schauen, haben die Kinder eine Divisionsaufgabe mit Rest gelöst: 7 : 3 = 2, Rest 1. Nach anfänglichem Streit hatten die Kinder also viel Vergnügen am Ausprobieren. Grund 2: Mathematik und die Entwicklung kindlichen Denkens Mathematisches Nachdenken über die Welt hilft Kindern, ihr Denken generell zu entfalten. Wenn Kinder z. B. entdeckt haben, dass sie Dinge in Bezug auf „größer“ oder „kleiner“ vergleichen können, ist ihnen auf einmal ein Weg eröffnet und ein Werkzeug gegeben, die ganze große Welt auf komplett neue Weise zu betrachten. Hierbei machen sie dann auch die Erfahrung, dass „groß“ und „Alter“ nicht das Gleiche ist: Wenn sie nämlich hinsichtlich ihrer Körpergröße kleiner als ein anderes Kind sind, aber älter – gehören sie dann zu den Großen? Oder zu den Kleinen? Einerseits ganz schön verwirrend, aber andererseits auch eine wichtige Erkenntnis: Es kommt – wie im Leben, so auch in der Mathematik – immer darauf an. Es lässt sich nämlich alles, also auch Kinder, nach unterschiedlichen Kriterien sortieren. Und damit stecken die Kinder schon von allein tief in der Welt der Mathematik. Und wenn sie erfahren, dass es ein Ding, aber auch zwei Dinge gibt, wenn sie lernen, dass man zwei Bälle anders bezeichnet als einen Ball – dann verbinden Kinder auf einmal das sogenannte Anzahlkonzept mit der Bildung von Pluralformen. Wenn Kinder das Anzahlkonzept nicht entwickeln, dann verstehen sie auch die Pluralformen nicht. Außerdem umfasst Mathematik nicht nur die Welt der Zahlen und Mengen. Es geht auch darum, Probleme zu lösen: Welchen Eimer nehme ich bspw., um möglichst viel Wasser für meinen Burggraben im Sandkasten herbeizuschaffen? Hierfür entwickeln Kinder Strategien und ein prinzipielles wissenschaftliches Herangehen. Sie entwickeln Kompe- tenzen im Argumentieren, wenn sie ihr Herangehen begründen. Sie stellen Verfahrens- weisen und Strategien dar und modellieren ihre Ideen. So durchlaufen Kinder unbewusst einen wissenschaftlichen Erkenntnisprozess (vgl. Pauen 2013): In ihrem Tun beobachten sie mathematische Phänomene und erfahren sie bewusst. Dazu gehört auch, dass Kinder ihre Erfahrungen beschreiben und – zum Beispiel durch Zeichnungen oder indem sie Spielmaterialien auslegen – festhalten. Im Lauf der Zeit sammeln sie Erfahrungen und können Vermutungen aussprechen. Ausprobieren und Experimentieren gehören ebenfalls mit dazu. Beispielsweise wenn Kinder ausprobieren, auf welche Weise sie fünf Dekoedelsteine auf zwei oder drei Mitspieler verteilen können. Genauso können sie dann auch neue Erfahrungen bewerten, begründen und sie nach und nach zu einem Gesamtbild integrieren. Hinzukommt, dass Kinder Abstraktionen bilden und weiterführende Überlegungen anstellen können. Während sich das kindliche Denken entwickelt, gehört es also automatisch und unabdingbar mit dazu, dass Kinder über die Welt auch in Bezug auf mathematische Aspekte nachdenken bzw. mathematische Konzepte in Verbindung mit ihrer lebens- weltlichen Realität erlernen. © Finken-Verlag · www.finken.de 5

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