© Finken-Verlag · www.finken.de 9 ✱ Oft wird auch der Begriff Mehrsprachigkeit für verschiedene Phänomene oder als Oberbegriff verwendet. Mehrsprachigkeit meint eine „multiple Sprachkompetenz“ (vgl. Ahrenholz 2014a, S. 5). Eine Gesellschaft kann mehrsprachig sein (gesellschaftliche Mehrsprachigkeit), ebenso kann ein Individuum mehrsprachig sein (individuelle Mehrsprachigkeit). Wann Mehrsprachigkeit vorliegt, wird in der Literatur unterschiedlich gesehen; für einige liegt Mehrsprachigkeit dann vor, wenn zwei Sprachen, für andere erst, wenn mehr als zwei Sprachen beherrscht werden. Dabei kann der Grad der Sprachbeherrschung durchaus variieren. ✱ Die Bezeichnung Lernersprache geht auf die Interlanguagehypothese zurück, die davon ausgeht, dass Lerner/innen beim Sprachenlernen so etwas wie eine „Zwischensprache“ entwickeln, die sich aus Elementen der Erst- und der Zweitsprache speist, aber auch eigene Strukturen enthält (vgl. Bausch/Kasper 1979, Roche 2013). Mit dem Begriff Lernersprache wird gleichzeitig die Prozesshaftigkeit des Sprachenlernens zum Ausdruck gebracht. Man geht davon aus, dass es sich um ein Zwischenstadium handelt, daher auch die Bezeichnung „Interimssprache“, welches sich progressiv weiter entwickelt. Für die Beurteilung von Schülerleistungen ist dieser entwicklungsorientierte Blick äußerst wichtig (siehe dazu Kap. 1.2). Wie lange ein Kind, das Deutsch als seine zweite Sprache erwirbt, bereits Kontakt zu dieser Sprache hat, ist bedeutsam für seinen Sprachentwicklungsstand. Daher ist bei einer Überprüfung des Sprachstandes die Kontaktdauer unbedingt zu berücksichtigen. Ein Kind im Alter von sechs Jahren, das erst zwei Jahre Kontakt zur deutschen Sprache hat, kann im Hin- blick auf sein sprachliches Können nicht mit einem Kind verglichen werden, welches von Geburt an deutschsprachig oder bilingual mit Deutsch und einer anderen Erstsprache aufgewachsen ist. Daher ist neben dem Lebensalter das Kontaktalter ein wichtiger Indikator für ihre Sprachentwicklung. 1.2 Wissenswertes über den Zweitspracherwerb Hypothesen zum Zweitspracherwerb Wie bereits in Kapitel 1.1 skizziert, wird dann von einem Zweitspracherwerb gesprochen, wenn der Erwerb der Erstsprache abgeschlossen ist (vgl. Ahrenholz 2014a). Bekannt ist aus der Forschung, dass der Zweitspracherwerb durchschnittlich nicht langsamer erfolgt als der Erwerb des Deutschen als Erstsprache (vgl. Haberzettl 2007, Tracy 2008). Außerdem lassen sich strukturelle Regelmäßigkeiten nachzeichnen (vgl. Grießhaber 2007, Haberzettl 2014), die für einen ähnlich kontinuierlichen Verlauf sprechen, wie er für den Erstspracherwerb bekannt ist. Dennoch können für den Zweitspracherwerb weniger universelle Aussagen getroffen werden, da sowohl innersprachliche als auch außersprachliche Faktoren (z. B. Kontaktdauer, Quantität und Qualität des sprachlichen Inputs) Einfluss auf den Verlauf nehmen (vgl. Wildemann 2015). Aus diesem Grund liegen verschiedene Erklärungsmodelle bzw. Hypothesen für den DaZ-Erwerb vor (siehe dazu auch Becker 2011, Jeuk 2003, 2010). Vorgestellt werden soll an dieser Stelle lediglich die Interlanguagehypothese, da sie einen lernerorientierten Blick auf den kindlichen Zweitspracherwerb bereitstellt und deshalb auch aus didaktischer Perspektive hilfreiche Erklärungen bietet. Kontaktdauer/ Kontaktalter
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